Von Klaus Ackermann (OP 3.3.2011)
Seit 55 Jahren haben zwei Offenbacher den Jazz im Blut, auch Mitbegründer der Offjazzgroup, die ihren 45. Geburtstag am morgigen Freitag im Wiener Hof feiert.

Es begann in einem Keller in der Körnerstraße. Vor 55 Jahren und mit dem West End Blues. Der swingende Hit des legendären Trompeters Louis Armstrong hatte es dem Offenbacher Schlagzeuger Herbert Müller angetan, der seinen Kumpel Artur Hartmann in den frühen Offenbacher Jazztreff lockte. Dort trafen beide auf die Gymnasiasten und Studenten Gerolf Mayer, Robert Gasch, Harald Blöcher, Joachim Keiser, Werner Fernges, Horst Wild und die Redlight Stompers waren geboren.
Ihr erster Auftritt am 9. Juli 1956 in der Aula des Leibniz-Gymnasiums war wie eine Initialzündung des Offenbacher Jazz. Knapp zehn Jahre später spielen Müller und Hartmann auch bei der Offjazzgroup an vorderster Front, die bis heute einen speziellen Offenbacher Stil entwickelt - Free Jazz, aber zum Anhören und mit fettem Swing. Zum 45. Geburtstag der Offjazzgroup erinnern die stilistisch jung gebliebenen Altjazzer - zum Quartett gehören noch der Pianist Dr. Volker Bellmann und Tilman Gasch (Saxophone) - an Perlen ihres Repertoires, die teils auch als CDs vorliegen. In einem Konzert am Freitag im Bieberer Saalbau Wiener Hof, auf das man gespannt sein darf. Denn die Spontanjazzer sind immer für eine Überraschung gut. Zum Jazz kam Herbert Müller durch den amerikanischen Soldatensender AFN, vor allem die Big Bands hatten es dem jungen Mann angetan, der in der evangelischen Jugend der Luthergemeinde Gleichgesinnte fand. "Viele Klampfer gab es damals, aber auch einen Trompeter, getrommelt habe ich auf einem Marmeladeneimer, auf Deckel und Dippe", erinnert sich der Selfmade - Schlagwerker.
Hartmann dagegen hatte schon als Zehnjähriger Geigenunterricht erhalten, was damals noch ungewöhnlich war. "Doch aus Kinderhänden wurden Pranken - zu groß fürs Violin - Griffbrett", sinniert Jazzer Artur über seine Lehrjahre, später Leiter des Offenbacher Bauamts. Pianist Werner Fernges riet ihm, es doch mal mit dem Kontrabass zu versuchen, "da kannste spielen, was du willst". So erstand Hartmann beim Musikhaus Renz für 300 Mark .ein Instrument, um fortan den Jazzbass zu zupfen. Seine Leidenschaft fürs liebevoll auch "Oma" genannte Spielgerät hat er sich bis ins Pensionsalter hinein bewahrt: Hartmann holte sich bei Studien in Frankfurt Klassik Feinschliff, spielt in verschiedenen Sinfonieorchestern und unterrichtet mittlerweile selbst an der Offenbacher Musikschule. Über die Musik hat der Jazzer auch seine Ehefrau Renate kennen und lieben gelernt. Und das, kam so: Der renommierte Offenbacher Oratorienchor hatte in der Ära Horst Welter die Red Light Stompers eingeladen. Die Jazzer sollten spielen mit dem Hintergedanken, dass ein paar vielleicht auch die immer raren Männerstimmen des Oratorienchors verstärken könnten. Damals sprang der Funke bei den Hartmanns über. Und aus der glücklichen Verbindung resultierten dann viel später Chor-Sängerinnen...

Die Red Light Stompers dagegen blieben bei ihren Leisten, unverfälschtem Traditional Jazz a la King Oliver und Co. Allein Müller und Hartmann, immer schon offen für alles Neue, suchten und fanden eine neue Heimat in der von ihnen mitbegründeten Offjazzgroup, die sich mit dem Diplom - Volkswirt Volker Bellmann und Tilman Gasch, dem Direktor der Frankfurter Akademie für Kommunikation und Design, einem freieren Spiel der Jazzkräfte zuwandten.
Die Rituale gelten heute noch: Man trifft sich zur Probe, einer wirft eine musikalische Figur in die Debatte und an der wird dann mindestens 90 Minuten nach allen Regeln des Jazz gefeilt. Im besten Fall kommt da eine hochspannende, rhythmisch vielschichtige und klanglich enervierend neue Improvisation heraus, die grob in Noten und vor allem verbal fixiert wird, eine völlig eigenständige Notation. Grundlage etwa für die "Odenwaldsuite" oder für "Guernica", Picassos Bild Fanal gegen den Krieg und auch musikalisch bewegend. Daneben hat die Offjazzgroup sich bei Lesungen der Schriftsteller im Bücherturm jazzig eingebracht, Konzertreisen in Offenbachs Partnerstädte unternommen und sogar in der amerikanischen Universität von Bologna gejazzt. Wohl dem, der sich sein Geburtstagständchen selbst spielen kann: Freie Bahn für die Offjazzgroup zum 45. am morgigen Freitag um 20.30 Uhr im Wiener Hof (Langener Straße 23). Natürlich wird auch der West End Blues nicht fehlen....